Conrad Greer & die Risiken fehlerhafter Ersatzteildaten (Teil 1)
Die Verwaltung von Ersatzteilbeständen bleibt einer der am meisten unterschätzten Faktoren für betriebliche Exzellenz und Kostenkontrolle in anlagenintensiven Branchen. Diese vierteilige Blogserie basiert auf einem ausführlichen und praxisnahen Gespräch mit Conrad Greer, Gründer von SPC Results Inc., der als führender Experte für Ersatzteile und Supply-Chain-Optimierung gilt. Greer stützt sich auf jahrzehntelange Erfahrung in der Öl- und Gasindustrie, im Energiesektor und im Schienenverkehr und gibt Einblicke in systemische Herausforderungen und Lösungsansätze im Ersatzteilmanagement.
In dieser Serie werden Sie:
- verstehen, warum Standardisierung und Datenintegrität die Grundlage erfolgreichen Ersatzteilmanagements bilden,
- erfahren, wie sich schlechte MRO-Daten direkt auf finanzielle und operative Leistung auswirken,
- lernen, wie strukturierte Taxonomien und saubere Kataloge die Bestandsverwaltung verbessern,
- entdecken, wie KI und Machine Learning MRO-Prozesse revolutionieren.
In diesem ersten Teil beleuchten wir Greers beruflichen Werdegang – vom Marineingenieur zum ERP-Berater – und die zentralen Erkenntnisse, die er über Ersatzteildaten gesammelt hat.
Von militärischer Präzision zu ziviler Komplexität
Greer begann seine Laufbahn als Marineingenieuroffizier bei der kanadischen Marine und erlebte dort die Strenge militärischer Logistik im NATO-Kodifizierungssystem (NCS). Im NCS verfügt jede Komponente über eine klar definierte und standardisierte Kennung, die vollständige Rückverfolgbarkeit, Interoperabilität und Effizienz in allen NATO-Mitgliedstaaten ermöglicht [1].
„Für Star-Trek-Fans: Ich war im Grunde Scotty“, scherzt er. „Wir wussten immer genau, was wir hatten – und wo es lag.“
Dieses System schuf absolute Transparenz und beseitigte jegliche Unklarheiten bei Wartung, Beschaffung oder Austausch.
Ein Schock in der Privatwirtschaft
Nach seinem Wechsel in die Privatwirtschaft leitete Greer SAP-Implementierungen für große, asset-intensive Unternehmen. Dabei fiel ihm ein drastischer Unterschied im Umgang mit Ersatzteilen auf: uneinheitliche Beschreibungen, unklare Klassifizierungen und fragmentierte Prozesse. Teile wurden als Nebensache betrachtet – nicht als strategisches Asset.
„Die Leute im Lager waren da, um die Instandhaltung zu unterstützen und die Anlagen am Laufen zu halten. Das war die Priorität – und deshalb tauchten MRO und Ersatzteile ständig wieder auf.“
Wenn Daten versagen, scheitern auch Fusionen von Unternehmen
Ein besonders aufschlussreiches Projekt war die Zusammenführung zweier Raffinerien, die beide SAP nutzten. Trotz ähnlicher Anlagen fanden die Systeme kaum Duplikaten – ein Hinweis auf chaotische Benennungen und inkonsistente Datenstrukturen.
„Es war kein Softwareproblem. Es war ein Identitätsproblem der Materialien.“
Das Projekt zeigte deutlich: Unternehmen investieren zwar viel in Systeme, vernachlässigen jedoch oft die Stammdatenqualität, die für deren Funktion essenziell ist.
Genau hier setzt SPARROW.Clean an. Die Lösung harmonisiert Ersatzteildaten mithilfe strukturierter Taxonomien und KI-gestützter Anreicherung – damit ERP- und CMMS-Systeme richtig arbeiten können.
Das verlorene Erfahrungswissen
Früher bestellten erfahrene Instandhaltungstechniker die richtigen Teile auf Basis ihres Wissens und enger Lieferantenbeziehungen. Mit der Einführung von ERP-Systemen ging dieses implizite Know-how verloren.
„Wir wechselten vom erfahrenen Techniker, der alles wusste, zu zentralisierten Systemen, die diese Erfahrung nicht abbilden konnten.“
Operative Risiken durch schlechte Daten
Schlechte Ersatzteildaten führen zu Zeitverlusten, Fehlbestellungen und Sicherheitsrisiken. Reaktive Instandhaltung leidet besonders darunter, doch auch geplante Arbeiten verzögern sich häufig wegen unklarer Kataloge.
„Auf der einen Seite gibt es Unternehmen, die überwiegend reaktiv arbeiten. Wenn etwas kaputtgeht, müssen sie Teile beschaffen, die oft nur schwer zu finden sind. Sie suchen nach dem benötigten Drucklager und erhalten 52 mögliche Treffer. Dann verbringen sie sehr viel Zeit am Telefon, weil das System nicht hilft, sondern die Situation eher erschwert. Das ist die reaktive Seite der Instandhaltung.Auf der anderen Seite gibt es inzwischen viele Unternehmen, die deutlich weiter sind und ihre Arbeit planen. Sie terminieren Aufträge erst, wenn die benötigten Teile verfügbar sind. Ihr Verlust entsteht durch die Wartezeit zwischen Planung und Materialeingang.“
In Hochrisikobranchen wie Öl und Gas können falsch spezifizierte Materialien zu schweren Unfällen führen. Die IEA warnt, dass ungeplante Ausfälle jährlich Millionen kosten und häufig auf datenbedingte Fehler zurückzuführen sind [2].
Bestandsaufblähung und „Eichhörnchenhaufen“
Mangels Vertrauen in das System legen Techniker oft eigene, inoffizielle Bestände an – sogenannte „Eichhörnchenhaufen“. Das treibt Lagerkosten in die Höhe.
Eine Deloitte-Studie aus dem Jahr 2021 zeigt, dass fast 60 % der Hersteller Schwierigkeiten haben, auf verlässliche Bestandsdaten zuzugreifen – mit entsprechenden Kostenfolgen [3].
Fazit
Schlechte Ersatzteildaten sind kein reines IT-Problem, sondern eine geschäftskritische Schwachstelle mit erheblichen operativen, finanziellen und sicherheitstechnischen Auswirkungen. Investitionen in Datenqualität und Standardisierung sind entscheidend, um Verfügbarkeit sicherzustellen, Risiken zu reduzieren und Effizienz zu steigern.
In Teil 2 erfahren Sie, wie sich die versteckten Kosten schlechter MRO-Daten quantifizieren lassen – und wie Sie daraus ein überzeugendes Business Case ableiten.
Quellen:
[1] NATO-Unterstützungs- und Beschaffungsbehörde. Überblick über das NATO-Kodifizierungssystem (NCS). Abgerufen von: https://www.nspa.nato.int/about/ncs
[2] Internationale Energieagentur (IEA). Die Rolle der Digitalisierung in den Bereichen Energie und Arbeitssicherheit, 2022.
[3] Deloitte. Ausblick auf die globale Fertigungsindustrie 2021: Erreichen der digitalen Reife.

